Dass Peter Handke sich zu seinem Privatleben äußert, ist eine Seltenheit. 2002 gewährte er im Interview mit dem stern seltene Einblicke:
»Mein Buch«, sagt Handke zum Auftakt des stern-Gesprächs in seinem Haus in der Pariser Vorstadt Chaville, »erzählt eine Liebesreise: Eine Frau ist auf der Suche nach ihrem verschwundenen Geliebten. Mehr werden Sie von mir zum Inhalt nicht hören.«
Herr Handke, im Bildverlust tritt ein »siegreicher Unterfeldherr« auf, der »morgendliche Trainingsläufe absolviert« und einen Jogging-Ratgeber veröffentlicht hat. Joschka Fischer?
Das sind so kleine Tritte im Vorbeigehen. Diese ungehörigen Sachen machen mir Spaß. Das ist auch ein Vorteil des Alters, dass man nicht mehr so puristisch ist. In hundert Jahren wird da eine Fußnote stehen müssen, wer gemeint ist.
Der Bildverlust, 759 Seiten lang, ist der umfangreichste Roman Ihrer 39-jährigen Autorenlaufbahn. Wie lange haben Sie für die Niederschrift gebraucht?
Ich habe ein gutes Jahr geschrieben, davon drei Monate im Freien. Ich hatte im Wald eine mittelalterliche Lichtung entdeckt, wo kein Mensch hinkommt. Da habe ich mich niedergesetzt. Herrlich war das.
Raubt Ihnen Ihr Schreiben die Nachtruhe?
Ich schlafe gegen Mitternacht sofort ein. Drei, vier Stunden später wache ich leider auf. Zuerst bin ich sauer, aber in den Zeiten des Schreibens finde ich die Schlaflosigkeit fast eine Gnade. Da liege ich fröhlich wach, und dann geht das Projizieren los. Nach zwei, drei Stunden habe ich die Episode des nächsten Tages schon ziemlich in mir. Das ist die fruchtbarste Zeit, ohne dass ich da was aufschreibe.
Wann beginnen Sie mit dem Schreiben?
Das Trödeln weitet sich aus, je älter ich werde. Beim Bildverlust habe ich erst am frühen Nachmittag angefangen, weil das immer meine trübsinnigste Zeit im Leben war. Ich dachte: Gehe an die Arbeit, wenn die Farben in dir sich am meisten eintrüben. Die Bewegung, wieder ans frische Leben zu kommen, soll in der Bewegung der Sätze spürbar werden.
Warum schreiben Sie mit Bleistift?
Ich hatte Ende der Achtziger drei Jahre keinen festen Wohnsitz, weil ich in der Welt herumgereist bin. In Andalusien dachte ich plötzlich, ich möchte etwas Geschriebenes von meinem Herumziehen mitbringen. Da gab es aber nur Schreibmaschinen mit spanischer Tastatur. Da sind die Buchstaben ganz woanders, und mitten in der schönsten Inspiration haut man dauernd daneben. Da dachte ich: Scheiß drauf, versuch doch mal, mit der Hand zu schreiben. Mit dem ersten Satz wusste ich, es ist gut so. Es war so heimelig, so warm, so intensiv. Über das Geräusch eines Bleistifts könnte ich fast eine Ballade schreiben. Es ist auch schön und richtig zu radieren. Man spürt, dass man beim Tun ist. Nur meine Theaterstücke schreibe ich auf der Maschine. Wenn Dialoge kommen, muss ich den Krach hören.
Sie heben die Bleistiftstummel nach Romanen getrennt auf.
Ich sammele die nicht, die sammeln sich halt an. Ich werde sie doch nicht extra wegschmeißen. Wenn ich kein Geld mehr habe, versuche ich, die an ein Literaturmuseum zu verscherbeln.
Ihre Heldin träumt von Lesern, die sich nicht für das Private bei Schriftstellern interessieren. Waren Sie nicht auch neugierig, als Sie die Literatur-Ikone Samuel Beckett trafen?
Nicht wirklich. Ich war heilfroh, als ich wieder weg war. Ich habe Beckett dann noch zweimal gesehen, und es war eigentlich abschreckend, wie er umgeben war von Universitätsleuten und wie willig er auf diese doch servile Gesellschaft eingegangen ist. Da waren so richtig Bücklingsmenschen um ihn herum aus aller Herren oder Frauen Länder, und ich dachte: Um Gottes willen! Nur nicht so enden, dass mit siebzig jeden Tag drei Universitätsassistenten mich umlungern.
Ihr Verleger Siegfried Unseld erzählte im stern über ein Treffen mit Beckett und Ihnen: »Beckett war geradezu bemüht um Handke. Der junge Handke dagegen schwieg voller Scheu vor diesem auch für ihn großen Mann. Beckett war irritiert, stand früh vom Tisch auf und wollte gehen. Beim Abschied gab es dann noch einen überraschenden Dialog. Handke: ›Beckett, jetzt habe ich doch eine Frage: Sehen Sie fern?‹ ›Ja.‹ ›Was sehen Sie denn?‹ ›Nur Fußball.‹ Da schlug ihm Handke auf die Schulter und sagte: ›Beckett, das finde ich prima!‹«
Rugby hat er gesagt. Und auf die Schulter schlagen war auch nicht. Beckett war ja viel größer, ich hätte mich auf die Zehenspitzen stellen müssen. Das Gespräch fand am Morgen in der Closerie des Lilas in Paris statt. Beckett hat ein Bier getrunken. Das hat mich angeheimelt und ermutigt zu fragen, was bei ihm außer Bier noch so im Alltag vorkommt. So kam ich auf das Fernsehen.
Ihr »seltsamer Größenwahn« ließ Sie als Jüngling an Ihre Mutter schreiben: »Mach dir keine Sorgen um mich. Ich werde sicher weltberühmt.«
Das war eher eine Hoffnungslosigkeitsmelodie in dem Sinn: »Ich bin eh verloren.«
Wann haben Sie angefangen, sich als Schriftsteller zu empfinden?
Im Juni 1963 – ich war einundzwanzig, und der damalige Papst Johannes XXIII. lag im Sterben – habe ich beim Schreiben zum ersten Mal gedacht: »Jetzt bist du heraus aus diesem expressiven Strudel. Das ist ein ruhiger Satz, der zugleich zittert.«
Sechs Jahre später war der bebrillte Beat-Autor Handke ein Showstar, der bei Lesungen Kreuzworträtsel an die Wand projizierte und damit die Zeitungen zu Wortschöpfungen reizte wie »Handkemenge«.
Ich habe da sicher irgendjemanden nachgeahmt. Es gab ja jede Menge Deppen, die solche Happenings machten. Wahrscheinlich war es mir peinlich aufzutreten. Wenn ich öffentlich war, habe ich fast nie meine Identität gefunden. Ich war immer in Gefahr, vor das von mir Gemachte zu treten und es zu verzerren. Deswegen habe ich mich später für die totale Zurückgezogenheit entschieden – auch wenn ich die nicht immer durchhalte. Meine Sache ist es, gelesen zu werden.
Viele Kritiker üben sich seit Jahren im Handke-Bashing. Kümmert Sie das?
Inzwischen glaube ich, unabhängig davon zu sein, ob jemand ein Buch von mir anpflaumt oder hochhält. Ich glaube ungefähr zu spüren, was das, was ich tue, wert ist. Aber natürlich ist man heilfroh und fast erlöst, wenn man dann der Stimme des Lektors anhört, dass man ihn auf dem richtigen Fuß, an der richtigen Herzkammer erwischt hat. Das brauche ich schon.
Ihren letzten Bestseller hatten Sie vor acht Jahren.
Das Wort Bestseller zieht mir schon die Schuhe aus. Das Lesen ist einer der herzerwärmendsten und augenöffnendsten Vorgänge, die es im Menschenleben gibt, aber was man da so an Dubidubidu-Büchern vorgesetzt bekommt, ist ja überhaupt nichts Lesbares. Das sind unleserliche Bücher.
An wen denken Sie beim Schreiben?
Ich stelle mir mich als Leser vor. Wenn ich früher ratlos war, war das anders. Als ich 1978 Langsame Heimkehr schrieb, war ich im totalen Mahlstrom zwischen Sprache und Sprachlosigkeit. In Alaska dachte ich: Scheiße, ich muss doch mal nachschauen, wie der Kafka die Sätze gemacht hat. Der könnte ein Nothelfer sein. Ich habe dann in den Buchhandlungen immer in Das Schloss hineingeschnüffelt, aber das half mir überhaupt nicht weiter. Jetzt sitze ich halt da und wurschtle vor mich hin, bis ich nicht mehr kann. Am schönsten ist, total am Rand der Erschöpfung zu sein und dann noch ein bisschen weiterzu tun. Dann erscheint die eigentliche Luft des Epischen.
Was tun Sie bei Schreibblockaden?
Ich gehe herum, spitze Bleistifte, sammle Brombeeren oder gehe meinetwegen pinkeln, auch wenn ich gar nicht muss.
Ihre verstorbene Halbschwester Monika sagte: »Ich erinnere mich mit Schrecken an Peters krampfartige Schreibperioden daheim, da er herrisch die Familie zwang, seine Selbstzweifel und Arbeitsqual mitzuleiden. Es konnte vorkommen, dass ihm plötzlich Schreibverödung alle Selbstsicherheit raubte und sich ein Wort, um das er stundenlang schmerzhaft rang, erst beim Trinken unversehens, oft mitten in der Nacht, einstellte.«
Meine Schwester hat einen Schallplattenladen gehabt und später eine Segelschule auf den Malediven gemacht. Sie hat nie so gesprochen.
Aber wenn man die Sprache abzieht, ist was Wahres dran. Eine Zeit lang habe ich zu Hause alle tyrannisiert. Ich war damals siebzehn und wollte durchs Schreiben vor allem meine Familie retten, weil wir wirklich grauenerregend und hoffnungslos arm waren. Das war mein erster Antrieb.
Ihr Stiefvater war ein prügelnder Trinker, Ihre Mutter Maria wählte nach einer seelischen Erkrankung 1971 den Freitod.
Mein Vorbild mit siebzehn war Françoise Sagan, weil die in dem Alter mit »Bonjour Tristesse« einen gewaltigen Bestseller und ein feines Buch gemacht hatte. Ich habe dann nachgelesen, wie Schriftsteller anfingen. Es hieß, man muss sehr früh aufstehen, um einen ganz klaren Kopf zu haben. Ich bin dann immer um vier Uhr früh aufgestanden – und war total müde. Mein Kopf war schwer und gedankenlos, es ging überhaupt nichts. So habe ich an die 25 Fehlstarts gemacht.
Schickt Ihnen Ihr Verlag, was über Sie in der Presse erscheint?
Früher war das so. Vor 20 Jahren habe ich dann höflich ersucht, dass man mich damit nicht mehr behelligt. Man entkommt den Zeitungen aber schwer. Ich höre von so genannten lieben Freunden: »Da ist was über dich erschienen. Hast du das schon?« Und dann ist es naturgemäß so, dass man sich das doch zu Gemüte führen möchte. Der Verlag faxt mir das dann durch.
Wie haben Sie reagiert, als Sie vergangenen Dezember in einer Titelgeschichte der »Bunten« lasen: »Die blonde Filmdiva Katja Flint könnte jeden Mann haben. Nach zwei Machos liebt sie jetzt den sensiblen Dichter Handke«?
Was soll denn das jetzt? Gehen Sie sich doch ficken!
Ein Informationsvakuum füllt sich mit Gerüchten.
Die Frau sagt mir auch immer: »Man darf nicht geheimnistuerisch sein.« Was wollen Sie wissen? Sexpartys? Ich habe mir die »Bunte« gekauft und wurde ganz wild – aber über das, was die große Literaturdame des wunderbaren Wochenblattes »Die Zeit« da hat von sich geben dürfen.
Iris Radisch meinte in einem 31-zeiligen Gastbeitrag für die »Bunte«: »Handkes jüngste poetische Elogen auf das serbische Terrorregime sind unverzeihlich.«
Das hätte auf keinen Fall passieren dürfen, dass das verbunden wird. Und das in einer Zeitschrift, die auch noch von einem meiner besten Freunde herausgegeben wird.
Dem Verleger Hubert Burda.
Wenn das Wort »verbrecherisch« nicht schon so verharmlost wäre, würde ich sagen, es ist verbrecherisch, so was zu schreiben. Die in der »Bunten« haben auch überhaupt keine Ahnung, was ich tue. Ich bin kein »Dichter«, wie da steht, sondern ein episch-lyrischer Schriftsteller.
Was empfanden Sie bei Überschriften wie: »Oh, là, là! Was ein Pariser Taxifahrer über heiße Küsse zu berichten hat«?
Mein Gott, ja. Wenn sie wenigstens schöne Fotos verwendet hätten. Das sind ja alte Fotos, wo jeder Mensch sieht, dass die Frau und ich noch kein Paar sind.
Die Fotos zeigen Katja Flint und Sie im Februar 2000 als Tischnachbarn beim 60. Geburtstag von Hubert Burda.
Oh Himmel! Wollen Sie noch bis in die Dämmerung mit der Erörterung dieser weltbewegenden Dinge fortfahren? Der berühmte neunte Februar als geschichtshistorischer Moment, der die Welt erschütterte? Können Sie mir erklären, warum das die so genannte Welt interessiert? Was hat das Gequassel im »Spiegel« zu suchen, wer wen verlassen hat?
Dort hieß es, Ihre Frau Sophie Semin habe Sie »bereits vor einiger Zeit verlassen und sich dem hoch gelobten Schauspieler Robert Hunger-Bühler zugewandt«.
Jeder Mensch kennt doch diese Geschichten. Die Frau sagt: »Ich habe ihn verlassen!« Der Mann sagt: »Nein, ich habe sie verlassen!« Warum muss man so ein Zeug veröffentlichen? »Spiegel«-Redakteure haben doch ihren Whisky, und ihre Frauen sind viel jünger, geiler und exotischer als meine. Die haben alle rassige Reitpferde, und bei mir läuft höchstens ein kleiner Igel ums Haus herum. Die kriegen ein Heidengeld bezahlt, sitzen glücklich wie Onkel Dagobert auf ihren Geldhaufen und sagen, wo die Welt langgeht. Warum sind die total sauer auf mich? Aber vielleicht ist es besser, jetzt schon durchschnüffelt zu werden. Indem es dermaßen ausgebreitet wird, ist die wahre Geschichte geschützt. Bis jetzt hat uns ja noch keiner zusammen gesehen, oder?
Sie wurden vergangenen November von deutschen Touristen in einem römischen Restaurant beim Pasta-Essen beobachtet. Ein Gitarrentroubadour mit schütterem Haupthaar soll dazu mit bebendem Tremolo »Amore« geschnulzt haben.
Mama mia, das war ein grauenerregender Sänger! Es war meine Schuld, ins Galeassi in Trastevere zu gehen, weil ich es von früher kannte. Aber wer denkt denn, dass Leute vom Nebentisch die deutsche Klatschpresse anrufen?
Frau Flints Agentin teilte wenig später mit: »Ich soll ausrichten, die beiden sind zusammen.« Warum dieses prompte Outing?
Ich war in Rom im Präsidentenpalast eingeladen, weil dort Preise zum hundertsten Geburtstag von Vittorio de Sica verliehen wurden. Ich habe absurderweise eine Medaille für meine Theaterstücke bekommen. Frau Katja Flint dachte, dass uns jemand zusammen gesehen hat, weil da noch und noch Fernsehen und Fotografen waren. Hätten wir gewusst, dass uns bloß Touristen in einem Lokal gesehen haben wollen, hätten wir natürlich geleugnet.
Wie reagiert Frau Flint auf das Bohei über die »erstaunlichste Paarung dieses Winters«, wie »Bild« analysierte?
Sie ist da sehr viel unberührter als ich. Sie sagt: »Wenn da nicht ein Krach kommt oder Prügel, interessiert sich bald niemand mehr für uns.«
Sind Sie seit Ihrer Liaison mit dem französischen Filmstar Jeanne Moreau gegenüber der Yellow Press abgehärtet?
Als wir noch nicht publik waren, stiegen wir vor dem Vier Jahreszeiten in München in ein Taxi ein. Da hat ein Fotograf seine Blitzlichtkamera ins Auto hineingehalten. So angewidert hat mich selten was. Mademoiselle Moreau hat es ganz gelassen hingenommen. Ich habe damals gemerkt, dass diese Blitzlichter in meine Gefühle eingreifen.
Das merke ich jetzt nicht. Insofern habe ich mich doch verändert, was mein so genanntes Gefühlsleben – wenn ich überhaupt eins habe – angeht. Sind Sie jetzt zufrieden mit meinen Herzensergüssen?
Libgart Schwarz, Jeanne Moreau, Marie Colbin, Sophie Semin, Katja Flint: Wie kommt es, dass Sie seit 40 Jahren immer mit Schauspielerinnen liiert sind?
Als ich Sophie Semin vor zwölf Jahren kennen lernte, arbeitete sie als Pressechefin für den Modedesigner Yoshi Yamamoto, und ich dachte: »Endlich eine Frau, die keine Schauspielerin ist!« Diese Frau war die Geschichte meines Lebens, etwas ganz Großes – vielleicht auch dadurch, dass sie total unbeleckt war. Und dann kam die Posse, frei nach dem Titel des Films von Bertolucci »Tragödie eines lächerlichen Mannes«: Nach drei Monaten, die wir uns kannten, hat sie gekündigt und wollte Schauspielerin werden. Punkt. Mehr sage ich nicht.
Zur Erklärung: Ihre Frau spielte 1999 eine Nebenrolle in Ihrem Theaterstück Die Fahrt im Einbaum. Bei den Proben lernte sie ihren heutigen Freund Robert Hunger-Bühler kennen.
Und die Frau jetzt, mein Gott ja? Hatten Sie auch den Spruch in der Schule: »Mein letzter Wille, eine Frau mit Brille«? Mein eingefleischter letzter Wille war: keine Schauspielerin. Und jetzt? Eine Schauspielerin! Noch dazu eine Deutsche. Und noch dazu eine Norddeutsche. Ich hätte nie so was gedacht. Aber der Mensch denkt, und irgendwas lenkt. In den Abgrund. Oder in den Himmel. Wenn der »stern« mir eine Million Euro bietet, schreibe ich Ihnen über die Frau und mich eine Supergeschichte – wenn Sie wollen sogar auf Computer.
Gefragt, ob Katja Flint Ihr Typ sei, sagt Ihre 32-jährige Tochter Amina: »Schwer zu sagen. Aber er hatte immer Schauspielerinnen. Es gibt da wohl so einen unausgesprochenen Traum, dass Schriftsteller und Schauspielerin gemeinsam etwas erschaffen könnten.«
Was für eine bescheuerte Theorie! Lassen Sie doch das Kind in Ruhe! Das hat die Amina sicher nicht gesagt. Van Morrison, einer meiner liebsten Sänger, hat die Schönheitskönigin von Irland geheiratet. Der ist noch bescheuerter als ich. Da muss man etwas weggetreten sein, um mit einer Schönheitskönigin zusammenzuleben.
1988 sagten Sie: »Schauspielerinnen sind die einzigen interessanten Frauen. Sie verlieren durch ihren Beruf, was an den Frauen so störend ist, das Körperliche. Bei Schauspielerinnen ist das weniger lästig.«
Schauspielerinnen haben das Spiel in sich. Damit meine ich nicht die Lüge. Sie sind leichter und verstehen zugleich mehr, weil sie sehr gut beobachten können, ohne dass man es merkt. Die anderen Leben, Körper und Gesten gehen über auf sie. Sie erzeugen die Täuschung, dass das Leben und die Körper nicht so schwer sind. Aber bei Marilyn Monroe und Arthur Miller hat man gesehen, dass es total ins Verderben führen kann. Mit Marie Colbin zum Beispiel war diese Leichtigkeit nicht vorhanden. Das war, wie man so sagt, ein guter Mensch, der nicht aus sich herauskam. Deshalb ist es bei ihr ausgeartet in Hysterie.
Sie schreiben: »Ich muss immer wieder schauspielern, um als der zu erscheinen, der ich bin.«
Auf dem Umweg über das Spiel finden Sie zurück zu dem, der Sie sind. Sogar mit meinen eigenen Kindern muss ich mein Vorhandensein spielen, um wirklich vorhanden zu sein. Und dann wird es besonders schön und leicht und rührend und lebendig. Wenn ich aber nur vorhanden bin, stehe ich dem Kind eher im Weg herum.
Es fällt auf, dass Sie stets mit schönen Frauen liiert sind.
Na, so schön sind die auch wieder nicht! Sie meinen in dem Sinn: Ich die Intelligenz und die Frau die Schönheit? Ich finde eher die Frauen intelligent und mich schön.
Sie schreiben: »Die Schönheit (besonders der Frauen) gibt zu denken.«
Es gibt diese Illustriertenschönheiten, aber wirkliche Schönheit ist ganz was Seltenes. Ich kann nicht anders, als nach Schönheit Ausschau zu halten. Sie rührt mich, macht mich projizieren, lässt mich träumen, bringt mich auf den Sprung. Das heißt um Gottes willen nicht, dass ich diese Schönheit erobern will. Andererseits bin ich überhaupt kein so genannter Softie.
Im Bildverlust heißt es, dass alle wirklich schönen Frauen ungeschickt sind.
Sie kratzt mir die Augen aus, wenn ich von ihr rede, aber ich sehe das bei Sophie. Ihr Ungeschick ist manchmal einfach unglaublich. Auch das belebt mich und gibt mir Vertrauen. Ungeschickte Schönheit: Da denke ich, da ist noch ein Kind verborgen. Auch wenn die noch und noch mit Männern gewesen wäre, zeigt mir das Unschuld.
Ihre Tochter Amina sagt über Sie: »Er hat mir noch nicht einmal erzählt, dass es aus ist zwischen ihm und seiner Frau Sophie. Dass er mir eine neue Frau in seinem Leben verschweigt, ist nichts Ungewöhnliches. Es gibt da so ein Spielchen zwischen uns. Wenn wir irgendwo zusammen eingeladen sind und er eine Neue dabei hat, soll ich immer selbst herausfinden, ob da was läuft.«
Ich habe das Gefühl, ich habe ihr was angedeutet. Warum soll ich ihr was erzählen? Es geht sie ja nichts an. Die ist doch schon alt.
Sie sind Hausbesitzer im Pariser Vorort Chaville, Katja Flint lebt mit ihrem 13-jährigen Sohn Oskar in München. Beabsichtigen Sie, unter einem Dach zu leben?
Ich habe doch selber keine Ahnung, was es ist mit der genannten Frau und mir. Ich könnte es nicht definieren. Ich folge einfach dem, was ist, und bin gespannt. Es ist auch schön, dass es diese örtliche Getrenntheit und zeitlichen Abstände gibt, aber vielleicht ist das auch irgendwann nicht mehr spannend. Ich könnte selbst meiner Tochter unter vier Augen da nicht mehr zu sagen. Mein Motto ist: Ahnung und Gegenwart.
Ihre Frau lebt mit Ihrer gemeinsamen Tochter, der neunjährigen Léocadie, in Paris. Wie kommen Sie miteinander aus?
Wir verstehen uns manchmal nicht gut, aber im Grunde mehr als gut. Ich bin froh, wenn es ihr gut geht mit dem Hunger-Bühler.
Wie oft sehen Sie Léocadie?
Ich gehe sie fast jeden Tag von der Schule abholen. Dann machen wir Hausaufgaben. Jeder löst seine Mathematikaufgabe, und dann vergleichen wir, ob wir identische Ergebnisse haben. Inzwischen macht sie das eher mir zuliebe. Sie ist die totale Fußballerbraut. Wenn wir im Stadion ein Match schauen, geht sie völlig mit. Sie schaut jeden Spielzug ganz genau an und macht sich wie ein Sportreporter Notizen, wer der Schlechteste ist. In der Mittagspause spielt sie jeden Tag im Schulhof in einer Jungenmannschaft als Stürmer Fußball. Sie müssten sich ihre Schuhe anschauen nach jedem Schultag.
Teilt Léocadie Ihre Kino-Leidenschaft?
Wir haben gerade den »Herrn der Ringe« gesehen. Ich mochte den Film nicht, weil ein Monstrum auf das andere folgte. Léocadie sah ihn schon zum zweiten Mal und war total cool. Sie hat sich gesorgt um mich, weil ich dauernd zusammenschreckte, wenn wieder ein Zoom auf eines dieser Monster losging. Wenn ein Horror kam, wollte sie mich immer beruhigen und sagte: »Papa, du musst jetzt mal die Augen zumachen, aber keine Sorge, die Szene geht ganz schnell vorbei.«
Interview: Sven Michaelsen, Originalbeitrag hier